Es gibt Sachen, die jeder weiss: Atheisten haben keine moralischen Werte, weil ihnen der Glaube fehlt, und Datenschützer sind grundsätzlich hysterisch.
Manchmal empfinde ich Sascha Lobo als erfrischend, und manchmal einfach als langweilig. In seiner letzten Kolumne gibt es diesmal leider weder etwas gescheites, noch etwas neues. Da werden vom hohen Ross herunter nicht nur die altbewährten Interneterklärerparolen verkündet, sondern auch Vorurteile bedient und Wichtiges unterschlagen.
„Dabei ist die Teilnahme an Facebook noch immer freiwillig […]“
Die Freiwilligkeit von Diensten wie Facebook ist das zentrale Argument in Lobos Artikel. Aber jeder, der Gruppendynamik buchstabieren kann, sollte wissen, dass z.B. Jugendliche vieles tun, weil es eben cool ist und alle ihre Freunde es tun. Als einziger in der Klasse ohne Facebook-Account fühlt man sich eben ziemlich alleine und ist es auch. Im Büro bei den großen Kindern ist das nichts anderes.
Kleiner Tipp übrigens: Wenn es um Neue Medien und Internet geht, lässt man Vergleiche am besten gleich ganz bleiben. Das geht garantiert in die Hose:
Dabei ist es nicht neu, dass scheinbar intime Daten veröffentlicht werden. Im Schwarzwald trugen Frauen seit 1750 Bollenhüte; […]
Was dieses Beispiel belegen soll, bleibt mir schleierhaft. Das Internet ist nicht der Schwarzwald, geschweige denn ein bayerisches Bergdorf. Schon komisch, derlei muss sonst immer als Beispiel dafür herhalten, wenn es um Orte geht, wo jeder mit einem alternativen Lebenswandel spätestens nach Erreichen der Volljährigkeit verzweifelt flüchtet, um in der nächsten größeren Stadt in der Toleranz der Anonymität sein Glück zu suchen.
Datenschutz geht in Deutschland von der antiquierten Haltung aus, der Nutzer sei ein dummes Schaf, […]
Freilich, würde ich mich den ganzen Tag in der hippen Berliner Geilomat-Szene rumtreiben, und mich als neomanische Postprivacy-Kunstfigur inszenieren, könnte ich zu dieser Meinung kommen. Vielleicht sollte ich zwischendurch aber auch mal den Kopf aus meinem Wohlfühlgrießbrei rausstecken und gucken, was sonst noch so läuft ausserhalb meiner Peer Group und auf welche Arten und Weisen Menschen manipuliert werden.
Würden Datenschützer Verkehrspolitik machen, wären Straßen umzäunt und Autos verboten.
Das soll wohl irgendwie kernig klingen, damit die Drittverwerter zitierfähiges Material haben. Und damit sich die Datenschützer so richtig echauffieren können, die Spielverderber. Ansonsten kann ich an umzäunten Straßen und strikten Zugangsregelungen für Autos erstmal nichts Schlechtes finden, sicherer wärs allemal.
Datenschutz in Zeiten der Datenbegeisterung muss mehr auf Transparenz und Nutzerkontrolle abzielen als auf Verbote und innovationsfeindliche Pauschalregeln.
Das wäre die Chance gewesen, in dem Text nochmal ein paar kritische Töne hörbar zu machen. Sauber vergeigt muss ich sagen – das ist relativistisches Wischiwaschi. Eben noch das Hohelied der Marktwirtschaft schmettern und dann von Transparenz reden…
Die Grenzen bestimmt für erwachsene Nutzer kein Bundesbeauftragter, sondern die datenbegeisterte Öffentlichkeit.
Meine persönlichen Grenzen bestimmt also netterweise die datenbegeisterte Öffentlichkeit? Da hält sich meine Datenbegeisterung aber eher in Grenzen.
Naja, mit den Datenschützern und diesem Social Web ist es eben so ähnlich wie mit den Atheisten und der Kirche. Der Atheist wird von vornherein nicht als gleichwertiger Partner anerkannt, weil er eben nicht „erleuchtet“ sei, und deswegen gar nicht mitreden könne. Dass das Wirken der Kirche aber auch ihn betreffen kann, obwohl er kein Teil von ihr ist, spielt anscheinend keine Rolle.
Schon bald wird alles öffentlich sein, was nicht explizit als privat gekennzeichnet wurde – public by default.
Das klingt für mich eher wie eine Drohung. Aber ich hab halt auch keine Ahnung.